Ist Geld böse, sollten wir uns davon fernhalten und Wege ohne Geld finden?

Ich habe nichts gegen Geld. Ich mag es sogar recht gern. Ein Ei gegen einen Apfel, einen Löffel und dann eine Kerze eintauschen zu müssen, obwohl ich eigentlich nur die Kerze haben wollte, stelle ich mir sehr anstrengend vor. Mit Geld wurde viel Schaden angerichtet, aber auch viel Gutes getan. Ich denke nicht, dass Geld schlecht ist, es gibt keinen Grund, warum Menschen es nicht wollen sollten, nicht versuchen sollten, es zum Beispiel durch Arbeit zu bekommen. Aber es wäre vielleicht klug, von Zeit zu Zeit innezuhalten und sich daran zu erinnern, was Geld wirklich ist: ein Symbol für Wert und damit auch ein Symbol für Eier und Kerzen. Wir sollten uns ab und zu fragen, ob wir nicht zu viel daraus machen.

Ich glaube, ein Grund, warum Geld für uns wichtig ist, ist, dass es uns ein Gefühl der Kontrolle gibt. Wenn wir genug davon haben, können wir unsere Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft befriedigen, wir können uns vor der Natur und den Tieren sicher fühlen und Komfort kaufen. Und es stimmt, Geld kann bestimmte Wahrscheinlichkeiten eine Zeit lang zu unseren Gunsten ausgleichen, aber es gibt uns keine Kontrolle, das ist eine Illusion. Wir können uns keine Kontrolle über unsere Gesundheit, unsere Beziehungen und schon gar nicht über unser Glück erkaufen. Die reichsten Menschen sind nicht diejenigen mit der niedrigsten Scheidungsrate, die reichsten Länder der Welt sind nicht die glücklichsten. Die Gesundheitsstatistiken zeigen zwar, dass arme Menschen mehr körperliche Krankheiten haben (was nicht verwunderlich ist, wenn man seinen Körper gegen harte Arbeit eintauscht, aber das hat Folgen), aber ich frage mich trotzdem, auf welche Art von Gesundheitsdefinition sich diese Daten beziehen. Nach der WHO ist Gesundheit „vollständiges körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden“. Meine Erfahrungen mit Menschen, die sich abrackern, um mehr Geld zu verdienen waren nicht, dass diese geistig oder sozial besser dran waren als andere. Eine neue Statistik, die sich auf das geistige und soziale Wohlbefinden konzentriert, lässt das Leben reicher Menschen vielleicht nicht so viel gesünder aussehen. Die Sache ist die, dass das es nie genug Geld sein kann, nicht wenn man sich nur auf die äußeren Bedingungen konzentriert anstatt eine bewusste Grenze zu ziehen wann es genug ist. Man wird immer mehr Geld verdienen müssen, weil Kapital immer genauso herausfließt wie hinein. Alles, was wir kaufen, braucht Pflege/Wartung, muss repariert werden, ruft neue Bedürfnisse hervor wie neue Teile, Erweiterungen usw.

Auf der anderen Seite erinnere ich mich in meinem Leben an viele schöne Geschenke und Erlebnisse, die mit Geld gekauft wurden und mich und andere sehr glücklich gemacht haben.
Was ich vorschlagen möchte, ist nicht, Geld zu hassen, sondern ein neues Gleichgewicht zu finden, eine neue Sichtweise auf Geld und auf die Arbeit für Geld. Jedes Lebewesen sollte versuchen, am Leben zu bleiben. Aber physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und soziale Bedürfnisse sind nicht die einzigen Bedürfnisse, die wir haben. In der Bedürfnishierarchie von Maslow beispielsweise müssen diese ersten drei Bedürfnisse erfüllt sein, bevor ein Mensch nach Selbstwertgefühl und dann nach Selbstverwirklichung streben kann. Aber womit sind diese grundlegenden Kategorien gefüllt? Ja, es gibt ein Minimum an Ressourcen, die wir brauchen, und diese werden heute meist durch Geld und Arbeit erworben, aber wenn ich mir unsere westlichen Gesellschaften anschaue, frage ich mich, ob all die Dinge, die kulturell als Grundbedürfnisse gelten, wirklich notwendig für uns sind oder auch wirklich hilfreich für unser Wohlbefinden.

Wir könnten versuchen, so viel Geld zu verdienen, wie wir brauchen, aber auch offen darüber nachdenken, welche Dinge diese Bewertung wirklich verdienen und welche nicht. Wenn wir das Gefühl haben, dass unsere Grundbedürfnisse befriedigt sind, könnten wir uns auch darauf konzentrieren, herauszufinden, wie wir einen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten wollen, der sowohl für uns erfüllend als auch für diese nützlich ist. Doch dazu müssen wir uns unseren Ängsten vor einem Kontrollverlust stellen. Die Auseinandersetzung mit diesen Ängsten könnte bedeuten, dass wir uns unseren Ängsten vor Leid, Schmerz und sogar vor dem Tod stellen müssen, da Arbeit und Geld zumindest in unserer Vorstellung so eng mit unseren Grundbedürfnissen verbunden sind. Es ist sinnvoll, am Leben zu bleiben. Alles, was lebt, sollte versuchen, am Leben zu bleiben, aber was bedeutet es für uns persönlich zu leben?

Ich möchte, dass die Menschen sich ihrer Ängste bewusst werden, und zwar so sehr wie möglich und in ihrer Zeit. Ich möchte, dass wir aufhören, wie kopflose Hühner herumzurennen und jedem leeren Versprechen zu folgen, uns zu retten und uns Kontrolle zu geben. Ich möchte, dass wir anfangen, dieses Leben, diese Persona, die wir gerade sind, als das Wertvolle zu betrachten, das es ist. Eine Sache, die wir mit Sicherheit früher oder später verlieren werden. Lasst uns anfangen, bewusste Entscheidungen darüber zu treffen, wie wir dieses Leben leben wollen. Das kann mit oder ohne (viel) Geld sein. Welche Arbeit das dann auch beinhalten mag, was auch immer wir damit oder daneben im Leben erreichen wollen. Nein, wir werden nie die volle Kontrolle haben. Aber wir sollten trotzdem wissen, was wir wollen und versuchen, es zu erreichen.
Neben der Konfrontation mit unseren Ängsten und dem Erlangen von Klarheit müssen wir vielleicht auch lernen, uns selbst unsere Fehler zu verzeihen, vor allem, wenn unsere Überlegungen darüber, wie wir leben wollen, zeigen, dass wir schon seit geraumer Zeit in die falsche Richtung gelaufen sind. Vielleicht sollten wir mehr Humor dafür entwickeln, wie die Dinge sind und wie sie gewesen sind oder sein könnten. Die Sache ist die: Selbst wenn das Leben eher ein Kampf als ein Tanz oder ein Spiel ist (was ich für fraglich halte), haben wir immer noch die Wahl, ob wir uns in eine Arena schleppen lassen, um zu kämpfen, oder ob wir sie mit erhobenem Kopf beschreiten. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich würde Letzteres vorziehen.

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